Montag, 31. August 2015

Rezension: Sabine Horn/Martina Seth – Resilienz im Job



Krisen als Chancen – Resilienz als Möglichkeit zur Veränderung


Sabine Horn/Martina Seth (2015). Resilienz im Job – Was wir brauchen, was uns guttut. Freiburg/Breisgau (GER), Verlag Herder

Das Buch wurde freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt – www.herder.de

Rezensent: Mag. Harald G. Kratochvila (Wien)

Stichworte: Resilienz, Coaching, Beruf, Karriere, Leben, Lebensbewältigung, Lebenskompetenz, Rezension 

Was wir brauchen, um es uns im Beruf gutgehen zu lassen

„Was du dir ausdenkst, weil es möglich ist, ist damit auch Wirklichkeit.“ (Nooteboom 1994, 38) Und man fühlt sich vielleicht an eine Grafik von Francisco de Goya erinnert, die den Titel trägt: Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer (Originaltitel: El sueño de la razón produce monstruos). Aber das ist nur ein Teil des Bildes – auch die Vernunft gebiert Ungeheuer, wenn Sorgen, Ängste und Verzweiflung den Menschen plagen – bekannte Reaktionen auf Krisen.
Kratochvila Rezension - Sabine Horn/Martina Seth: Resilienz im Job 
Dem österreichischen Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse, Viktor Frankl, wird der folgende Satz zugeschrieben: „Äußere Krisen bedeuten die große Chance, sich zu besinnen“. Krisen sind alltäglich und begegnen uns in allen Bereich des Lebens – Partnerschaften, die auseinanderbrechen, Krankheiten, die Menschen betreffen, die uns nahe stehen, finanzielle Schwierigkeiten, die durch eine drohende Beschäftigungslosigkeit noch verstärkt werden. Soziale Krisen, und solche, die weit über die lokale Gesellschaft hinaus reichen, sind hier noch gar nicht erwähnt. Krisen sind Ereignisse und Veränderungen, die den bis dahin gültigen Rahmen (Annahmen, Routinen, Sicherheiten) auseinanderreißen oder sogar sprengen. Orientierungslosigkeit ist daher die Folge – Was Viktor Frankl als Besinnung benannt hat, ist die Wiedererlangung der inneren Orientierung, die es braucht, um sich auch im Äußeren wieder zurechtfinden zu können. William James, der Gründer der amerikanischen akademischen Psychologie, sieht in der Besinnung auch die Möglichkeit, sich der eigenen Stärke zu erinnern: „Große Notfälle und Krisen zeigen uns, um wie viel größer unsere vitalen Ressourcen sind als wir selbst annahmen.“ 

Krisen sind Herausforderungen und lassen sich nicht vermeiden. Diese Besinnung verlangt dem Individuum aber einiges an Kraft und Energie ab: „Besitzt ein Mensch zu wenig Hoffnung oder Widerstandsfähigkeit, kann man noch so viel Energie von außen hineinstecken – es bleibt dennoch ein Vakuum der Verzweiflung und Kapitulation. Im Gegensatz dazu engagieren sich Menschen, die an sich glauben, wesentlich mehr, was wiederum mit erhöhter Wahrscheinlichkeit zu einem Erfolg führt.“ (Bandura zitiert nach Short/Weinspach 2010, 11) Bei Karlfried Graf Dürckheim finden sich andere Begrifflichkeiten, die innere Zerrissenheit und die Gefühllage des Menschen in Krisen zu beschreiben: „Gerade ein Mensch, der sich in der tiefsten Dunkelheit seiner Verlorenheit in der Welt fühlt, die ihn, solange er im Ich festsitzt, in Angst, Verzweiflung und Einsamkeit stürzt, ist besonders bereit für den Ruf aus dem Wesen und so auch für einen Anruf, der sein Ich-Gehäuse durchstößt und ihm sein Wesen bewusst macht.“ (Dürckheim 2012, 110) Was sich gleicht ist die Vorstellung, dass Krisen zu Veränderungen führen und das diese Veränderungen im Inneren des Menschen zu verorten sind – vielleicht in der Ausbildung neuer Verhaltensweisen (vgl. Covey 2004)

Die Art und Weise also, wie man Krisen bewältigt und vor allem worauf man sich im Zuge der Verarbeitung von solchen Ereignissen besinnt, macht das aus, was mittlerweile auch in populären Medien unter dem Begriff der Resilienz, also einer allgemeinen Widerstandskraft, verstanden wird. Resilienz ist eine Fähigkeit, also erlernbar und erlaubt es, gestärkt und kraftvoll aus Krisen hervorzugehen. Das ist Gegenstand des zu besprechenden Buches. 

Zu den Autorinnen – Sabine Horn und Martina Seth

Sabine Horn unterstützt seit vielen Jahren Menschen in Krisen und Veränderungen – als Coach, Organisationsberaterin und Resilienz-Trainerin.  Gemeinsam mit einem Team führt sie ein Beratungsunternehmen. Nähere Informationen finden sich auf ihrer Webseite: www.arbeit-im-gleichgewicht.de

Martina Seth ist durch ihre Tätigkeiten als Prozessbegleiterin, Dozentin und Resilienztrainerin mit dem Thema befasst. Auch sie unterstützt Menschen in den verschiedenen Kontexten dabei, besser mit Veränderungen und Krisen umzugehen. Auch hier finden sich nähere Informationen auf der Webseite: www.seth-resilienz-training.de 

Krisen und Chancen, Veränderung und Stabilität

Veränderungen begegnen uns auf sehr unterschiedlichen Ebenen des Wahrnehmens, Denkens und Verhaltens. Robert B. Dilts hat ein Pyramidenmodell der logischen Ebenen entwickelt, das auf einer hierarchischen Stufenabfolge von Veränderungsmöglichkeiten basiert. Auf der untersten Ebene finden sich die Umgebung und die Umwelt abgebildet. Darauf fußt das menschliche Verhalten. Dieses Verhalten wird geprägt von Kompetenzen und Fähigkeiten. Eine Ebene darüber liegen die Glaubenssätze und Werte. Eine weitere Ebene darüber ist die Identität verortet, die schließlich in der Spitze der Pyramide vom Sinn abgeschlossen wird. (das Modell findet sich als einfache Darstellung in Horn/Seth 2015, 106-107) Eine fundamentale Grundannahme dieses Modells lautet, dass „eine erfolgreiche Veränderungsarbeit … in der Regel auf einer höheren Ebene ansetzen [muss], und dass sich die Ebenen wechselseitig beeinflussen.“ (Horn/Seth 2015, 106)

Die Umgebung und die Umwelt (Ebene 6) sowie die eigenen Verhaltensweisen (Ebene 5) lassen sich also leichter ändern, als die Spitze der Pyramide (Sinn – Ebene 1, Identität – Ebene 2). Dieses Modell der Veränderungsmöglichkeiten bietet aber auch einen passenden Einstieg in die Frage, was Krisen überhaupt ausmacht, denn man kann mit diesem Modell auch die Ebene der Veränderung sichtbar machen. 

„Mit Kraft und Motivation jeden Tag aufs Neue den Arbeitsalltag zu bestehen, stellt für immer mehr Menschen eine große Herausforderung dar. Der Druck auf den einzelnen Mitarbeiter wächst ständig, und zudem verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben. Rasante Veränderungen in der Arbeitswelt, überhöhte Anforderungen an die eigene Leistungsfähigkeit und die Angst, im Job zu versagen, führen bei vielen Menschen zu starken körperlichen und seelischen Belastungen, bis hin zum Burnout.“ (Horn/Seth 2015, 7)
Veränderungen werden zu Krisen, wenn die eingesetzten Ressourcen nicht mehr zur Bewältigung der Veränderung bereit stehen. Resilienz wird als Fähigkeit definiert, diese schwierigen Lebenssituationen und Veränderungen ohne anhaltende Beeinträchtigungen zu überstehen (Horn/Seth 2015, 14)

Das Buch ist in zwei Teile gegliedert, und besteht aus fünf Kapiteln. Die ersten vier Kapitel stellen das Konzept der Resilienz vor und erläutern die sieben Resilienzaspekte. Sie liefern auch den Hintergrund dafür, Veränderungen besser verstehen zu lernen, und dabei auch die eigene Resilienz leichter entdecken und einsetzen zu können. Abgeschlossen wir das Buch mit einem Trainingsteil, der die zuvor erwähnten sieben Resilienzaspekte spezifisch fördern hilft. Das Resilienzmodell von Monika Gruhl ist das zugrundegelegte Modell für die Darstellung der Resilienzfaktoren (vgl. die aktuelle Auflage Gruhl 2014 – Horn/Seth zitieren nach der Ausgabe von 2010)

Resileinz – das zentrale Konzept des Buches, ist eine psychische Fähigkeit und beruht auf drei Voraussetzungen: Selbstwahrnehmung, Reflexion und Integration. Kurz gesprochen – wahrzunehmen, was mit einem passiert, welche Reaktionen durch Ereignisse ausgelöst werden und durch Reflexion dahinter zu kommen, welche Wirkmechanismen und andere Persönlichkeitseigenschaften dahinter stehen, kann dabei helfen, diese Wahrnehmungen und Reflexionen zu integrieren. Damit kommen wir unseren Grundbedürfnissen entgegen: Orientierung und Kontrolle, Lustgewinn und Unlustvermeidung,, soziale Integration und Selbstwertsicherung und Selbstentwicklung. (Horn/Seth 2015, 26)

Damit lassen sich nun Stressmuster bzw. Denkmuster, die zu Stress führen leichter erkennen und ihnen entgegenwirken. Das Resilienzmodell beinhaltet sieben Aspekte – drei Grundhaltungen: Optimismus, Akzeptanz, Lösungsorientierung und vier Handlungsaspekte: Selbstregulation, Selbstverantwortung, Netzwerk- bzw. Beziehungsorientierung und Zukunftsgestaltung. 

Resilienz ist daher etwas, das sich vor allem im Handeln zeigt, es ist nicht nur eine passive Eigenschaft, die Menschen in sich tragen, oder etwas, das wie ein Regenschirm die Regentropfen abhält. 

Sabine Horn und Martina Seth beschreiben diese Aspekte sehr anschaulich und geben unzählige Beispiele aus dem Berufsalltag, um zu verdeutlichen, in welcher Weise Resilienz dabei helfen kann, den Berufsstress besser zu verarbeiten bzw. gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Der Trainingsabschnitt fördert mit Übungen die Selbstreflexion und ist dazu gedacht, dass man sich als Leser mit jemandem anderen über die jeweiligen Resilienzfaktoren und zugrundeliegende Aspekte unterhält. 

Fazit

Den Autorinnen ist ein übersichtliches Buch gelungen, das durch seine klare Struktur ein brauchbares Hilfsmittel am Weg zu einer höheren Resilienz ist. Es ist praxisnah durch viele Beispiele und ein guter Einstieg in die immer breiter werdende Resilienzliteratur. Für Leser, die bereits das Buch Monika Guhl kennen, wird es vor allem durch seinen Berufsbezug interessant sein. Für Coaches und Psychotherapeuten ist ohnehin das Buch von Dan Short und Claudia Weinspach Pflichtlektüre. 

Durch den Trainingsteil kann man immer wieder bestimmte Aspekte trainieren und gezielt darauf achten, wo man sich noch verbessern möchte.
„Was du dir ausdenkst, weil es möglich ist, ist damit auch Wirklichkeit.“ (Nooteboom 1994, 38) – Resilienz ist möglich …

Harald G. Kratochvila, Wien

Verwendete Literatur:

Covey, S. R. (2004 [1989]). The 7 Habits of Highly Effective People - Powerful Lessons in Personal Change. Restoring the Character Ethic. New York, NY & London (UK), Free Press

Dürckheim, K. G. (2012 [1966]). Der Alltag als Übung - Vom Weg zur Verwandlung. Bern (SUI), Verlag Hans Huber

Gruhl, M. (2014 [2008]). Resilienz - Die Strategie der Stehauf-Menschen. Krisen meistern mit innerer Widerstandskraft. Freiburg/Breisgau (GER), Kreuz Verlag

Nooteboom, C. (1994 [1981]). Ein Lied von Schein und Sein. Frankfurt/Main (GER), Suhrkamp Verlag

Short, D. und C. Weinsprach (2010 [2007]). Hoffnung und Resilienz - Therapeutische Strategien von Milton H. Erickson. Heidelberg (GER), Carl-Auer Verlag

Sonntag, 30. August 2015

Rezension: Gerd Rudolf – Wie Menschen sind



Ich bin ein Mensch, nichts Menschliches ist mir fremd (Terenz – Der Selbstquäler)

 

Gerd Rudolf (2015). Wie Menschen sind. Eine Anthropologie aus psychotherapeutischer Sicht. Stuttagart (GER), Schattauer

Das Buch wurde freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt – www.schattauer.de

Rezensent: Mag. Harald G. Kratochvila (Wien)

Stichworte: Psychotherapie, Anthropologie, Coaching, Leben, Lebensbewältigung, Lebenskompetenz, Rezension 

Mensch sein …

Rezension Harald G. Kratochvila - Gerd Rudolf: Wie Menschen sind… folgt man den Überlegungen des Literaturnobelpreisträgers Patrick Modiano, dann bedeutet Mensch zu sein,  „… [s]einem Leben einen Zusammenhang zu geben …“ (Modiano 2014, 98/99) Umgelegt auf die psychotherapeutische Arbeit würde das zur Folge haben, Menschen dabei zu helfen, diesen Zusammenhang aufzuspüren, zu schaffen, aber vor allem lebbar zu machen. Menschen begeben sich aus sehr unterschiedlichen Gründen in Psychotherapie (vgl. Kottler 2015). Und manche therapeutischen Schulen betonen die Suche nach dem Sinn auf ganz besondere Weise (vgl. Frankl 1998)

Seinem Leben einen Zusammenhang zu geben, hat viel mit der Frage zu tun, wie wir eigentlich sind, oder wer wir eigentlich sind. Zur Frage nach dem Wie gesellen sich dann rasch Überlegungen nach der Quelle des Wirkens: „Wer nun nicht in sich selber wirkt, weilt auch nicht in sich. Sein und Wirken sind nämlich gleichbedeutend. Weder ist das Sein ohne Wirken, noch übersteigt das Wirken das Sein, noch wirkt jemand, wo er nicht ist; vielmehr wo immer er ist, wirkt er.“ (Ficino 2014, 35) Und mit dem Wirken und der Wirkung kommt auch die menschliche Praxis in den Blickpunkt: „Jede Arbeit, jede Kunst und jeder Beruf bedarf, damit das Werk gelinge, der Übung. Das weiß jeder, und, um sich in der Welt zu bewähren, lernt er, übt sich und verarbeitet seine Erfahrungen. … Der Mensch aber wird, was er sein soll, nicht von selbst. Er wird es nur, wenn er sich selbst in die Hand nimmt, an sich arbeitet und sich zur Vollendung des Werks ohne Unterlaß übt. Das wichtigste Werk seines Lebens also ist er selbst, ER SELBST als der „rechte Mensch“.“ (Dürckheim 2012, 7)

Was für den Menschen im Allgemeinen gilt, gilt auch für den Psychotherapeuten im Besonderen. Auch Psychotherapie muss geübt werden – und zwar eingehend geübt werden. Es braucht dafür nicht bloß psychotherapeutisches Werkzeug, sondern auch menschliches Grundverständnis. In diesem Sinne lässt sich wohl das aktuelle Buch von Gerd Rudolf verstehen – „Ziel der Menschenbildbetrachtung ist kein Expertenwissen, sondern ein selbstreflexives Wissen, das zum Selbstverständnis ebenso wie zum Verstehen des anderen beiträgt. Psychotherapeuten kann dies zum Aufbau der „therapeutischen Haltung“ verhelfen, die für das Gelingen einer Behandlung mindestens so wichtig ist, wie die therapeutischen Techniken.“ (Rudolf 2015, VII)

Menschen leben ihr Leben mehr oder weniger bewusst in dem Sinne, dass sie bewusste Entscheidungen treffen, die ihren Lebensweg bestimmen. Natürlich kommen äußere Ereignisse hinzu und die Entscheidungen anderer Menschen, aber jeder von uns versucht ein selbstbestimmtes, gutes Leben zu führen: „Denn als menschliche Wesen, die ein Bewusstsein ihres eigenen Lebens haben, sind wir unvermeidlich mit der Frage nach dem richtigen oder guten oder sinnvollen Leben konfrontiert und müssten damit ein Interesse daran haben zu wissen, worin dieses besteht und wodurch es zu erreichen ist.“ (Wolf 2013, 12)

Eine Beschreibung des richtigen, guten, sinnvollen Lebens ist nur vor dem Hintergrund bestimmter Menschenbilder verständlich – Menschenbilder, die über die Zeit und den kulturellen Rahmenbedingungen Veränderungen erfahren haben. Wie Menschen sind, ist daher auch als eine Suche nach diesen Menschenbildern zu verstehen. 

Zum Autor Gerd Rudolf

Gerd Rudolf ist seit vielen Jahren mit psychiatrischen und psychotherapeutischen Themen befasst. Dieses Interesse spiegelt sich in seinem akademischen und medizinischen Leben wider – als Professor, Psychotherapeut, Psychiater, Vortragender. Details zu seinen Aktivitäten finden sich auf seiner Homepage: www.rudolf-psychotherapie.de 

Seine Buchpublikationen finden sich auch an dieser Stelle aufgelistet: www.rudolf-psychotherapie.de/publikationen/buecher 

Menschenbilder

Seine Darstellung der Menschenbilder beginnt Gerd Rudolf mit einem Zitat von Karl Jaspers, das darauf hinweist, dass diese Menschenbilder in uns wirken und damit auch in unseren Wahrnehmungen und Urteilen. „Wir tragen Bilder vom Menschen in uns und Wissen von Bildern, die in der Geschichte gegolten und geführt haben. Der Kampf der Menschenbilder geht in uns um uns selbst. Wir haben Abneigung gegen und Neigung zu Bildern, die uns in einem Menschen begegnen. An ihnen orientieren wir uns wie an Vorbildern und Gegenbildern.“ (Rudolf 2015, 1)

In insgesamt zwölf Kapiteln beschreibt Gerd Rudolf verschiedene Aspekte, die in Menschenbildern zusammengesetzt und interpretiert werden – dabei geht es um die Animalität des Menschen, seine Emotionen und Gedanken, seine Fähigkeit zur Selbstreflexion, seine Religiosität, sein Verständnis von Moral, Kultur und sein Leben in der Gesellschaft. Jedem dieser Aspekte ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Die letzten drei Kapitel des Buches integrieren diese Darstellungen in das Feld der Psychotherapie und geben auch einen Ausblick auf weitere Überlegungen im Bereich der Anthropologie. 

Gerd Rudolf wird im Rahmen seines Buches nicht müde zu betonen, dass Menschenbilder ein wesentlicher Bestandteil in der Wahrnehmung von Menschen sind. Sie „basieren auf unterschiedlichen Anschauungen der Welt und des Menschen.“ (Rudolf 2015, 6/7) – diese Bilder sind normativ, sprich, die geben auch Auskunft darüber, wie Menschen zu sein haben. (vgl. Rudolf 2015, 17/18). Fünf Menschenbilder werden explizit erwähnt: das traditionelle christliche Menschenbild, das Menschenbild der Aufklärung, das Menschenbild der Romantik, das Menschenbild der Moderne und das Menschenbild der Postmoderne. (Rudolf 2015, 168-170)

Die Grundthese des Buches  - Menschenbilder wirken in uns – wird von Gerd Rudolf auch auf die psychotherapeutische Arbeit umgelegt: „Therapeuten tragen … vielfältige, teils bewusste, teils nicht bewusste Menschenbilder in sich.“ (Rudolf 2015, 268) Und das hat Implikationen für das therapeutische Handeln. Es fängt an bei der Frage, was überhaupt behandlungswürdige Zustände ausmacht (=Diagnostik) und geht auch in Richtung, welche Ziele die Therapie zu verfolgen hat. Und weil es sich um teils bewusste, teils nicht bewusste Inhalte handelt, ist es auch eine Frage der Selbstreflexion und der inneren Haltung, wie mit diesem Wissen gearbeitet werden kann. 

Fazit

Ein durch und durch gutes Buch. Auf diese knappe Einschätzung lässt sich dieser Text reduzieren. Gerd Rudolf hat es in seinem Buch geschafft, die Bedingungen freizulegen, die der therapeutischen Haltung innewohnen – das Bild, das wir uns vom Menschen machen, bzw. die Bilder, die uns in der Arbeit mit Menschen begegnen, haben einen großen Stellenwert in der Bestimmung von Diagnosen und Therapien. Sich diese Bilder zu vergegenwärtigen, und dabei zu erkennen, welche Aspekte dabei eine Rolle spielen, ist ein wesentliches Anliegen des Buches, dem es auch gerecht wird. „Du weißt nicht, dass man selbst sein größter Richter ist …“ (Casanova 2014, 143) – das lässt sich auf Fragen der Haltung bestimmt anwenden. Das Buch ist all jenen empfohlen, die sich mit Menschen auseinandersetzen – als Therapeutinnen, Coaches, Sozialarbeiter, als Ärztinnen … es wirft auch ein helles Licht auf die Frage, was für ein Mensch man selbst sein mag.

„Und dies ist der Kern dieser Geschichte: Wenn Geben durch sich selbst belohnt wird, kann bisweilen auch Nehmen eine Gefälligkeit sein.“ (Winter 2015, 147) Geben und Nehmen – vielleicht sollte das Buch auch unter diesem Aspekt gelesen werden.
Harald G. Kratochvila, Wien

Verwendete Literatur:

Casanova, F. F. (2014 [2010]). Heute ist mein letzter Tag lebendig (hoffentlich). Wien (AUT), Luftschacht Verlag

Dürckheim, K. G. (2012 [1966]). Der Alltag als Übung - Vom Weg zur Verwandlung. Bern (SUI), Verlag Hans Huber

Ficino, M. (2014 [1469]). Über die Liebe oder Platons Gastmahl. Hamburg (GER), Felix Meiner Verlag

Frankl, V. E. (1998 [1995]). Logotherapie und Existenzanalyse - Texte aus sechs Jahrzehnten. Weinheim (GER), Psychologie Verlags Union     

Kottler, J. (2015). Stories, We've Heard, Stories, We've Told - Life Changing Narratives in Therapy and Everyday Life. New York, NY (USA), Oxford University Press

Modiano, P. (2014 [1993]). Ein so junger Hund. Berlin (GER), Aufbau Verlag

Winter, E. (2015 [2012]). Kluge Gefühle - Warum Angst, Wut und Liebe rationaler sind, als wir denken. Köln (GER), DuMont Buchverlag

Wolf, U. (2013 [1996]). Die Suche nach dem guten Leben - Einführung in Platons Frühdialoge. Frankfurt/Main (GER), Vittorio Klostermann

Dienstag, 25. August 2015

Rezension: Sonja Radatz – Gestalten Sie.



Die Freiheit, die ich meine – Zur Gestaltung des Lebens im Rahmen eines Optimalszenarios!


Sonja Radatz (2015). Gestalten Sie. Sonst werden Sie gestaltet. München (GER), Kösel Verlag

Das Buch wurde freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt – www.koesel.de

Rezensent: Mag. Harald G. Kratochvila (Wien)

Stichworte: Relationaler Ansatz, Management, Coaching, Leben, Lebensbewältigung, Lebenskompetenz, Rezension 

Sich selbst mit Freiheitsgraden ausstatten – Über die Gestaltbarkeit des eigenen Erfolgs



H. G. Kratochvila - Rezension: Sonja Radatz - Gestalten Sie. Sonst werden Sie gestaltet.„Der Ort des freien Willens ist die reale Welt.“ (Bauer 2015, 168)

Freiheit ist mehr als nur ein Begriff, es ist eine Erfahrung, die im Leben von uns Menschen eine ganz konkrete Ausprägung hat. Es ist also mehr, als bloß eine Stimmung oder ein Gefühl, es eine Lebenserfahrung. In der Literatur wird dieses Thema immer wieder aufgegriffen – zuletzt in dem Buch von Jocelyn Saucier, die sich der Frage annimmt, wie es mit der Freiheit im Alter bestellt ist. „Man ist frei, wenn man sich aussuchen kann, wie man lebt. Und wie man stirbt.“ (Saucier 2015, 7) – so lautet dann auch das Resümee der Protagonisten. Sich aussuchen zu können, wie man sein Leben lebt, hat viel damit zu tun, wie man mit den Widrigkeiten des Lebens umgeht. "Man muss wissen, wie man gewinnt und wie man verliert. Manchmal ist es gut, wenn man verliert. Dann versteht man, wie hart, aber auch lohnend es ist, zu gewinnen." (Luiz Enrique  -Fussballtrainer des FC Barcelona nach der Niederlage im spanischen Superpokal 2015) Es ist kein Zufall, das gerade in kompetitiven Bereichen des Lebens, wie dem professionellen Sport, verstärkt über die Gestaltbarkeit des Erfolgs nachgedacht wird. Aber nicht nur über den Zuwachs und den Verlust von etwaigen Freiheitsgraden wird nachgedacht, auch über die individuelle Verantwortung, die damit einhergeht: "Alles, was vor fünf Sekunden passiert ist, kannst du nicht ändern. Aber du kannst in den nächsten fünf Sekunden lachen und glücklich sein."(Patrick Reiter, österreichischer Judoka und mehrfacher Medaillengewinner - http://derstandard.at/2000020802903/Patrick-Reiter-Sanfter-Weg-nach-harter-Landung)

Mit der Freiheit kommt die Verantwortung und damit auch das Nachdenken über den Stellenwert, den die eigenen Handlungen haben. „Denn als menschliche Wesen, die ein Bewusstsein ihres eigenen Lebens haben, sind wir unvermeidlich mit der Frage nach dem richtigen oder guten oder sinnvollen Leben konfrontiert und müssten damit ein Interesse daran haben zu wissen, worin dieses besteht und wodurch es zu erreichen ist.“ (Wolf 2013, 12) Das richtige und gute Leben wird aber nur durch Veränderung erreichbar sein – es gilt die Umwelt zu verändern, unser Handeln, unsere Glaubenssätze, unsere Werte und Bedürfnisse, unsere Identitäten und schließlich auch den Sinn, unter dem wir all das subsummieren. „Of all of the species on earth, we human beings are the ones who specialize in voluntary mind change; we change the mind of others, we change our own minds.” (Gardner 2006, 199)

Die Bereitschaft sich und andere zu verändern – und hier kann man auch von der Bereitschaft sprechen, sich und anderes zu gestalten, wird immer starker gefordert, wenn Veränderungen schnell erfolgen. Gerade in der Arbeitswelt treten Innovationen in immer rascher wechselnden Zyklen auf. “To do good work is a laudable goal, one difficult to achieve even under favorable circumstances. In the modern world scarcely anyone is sealed off from rampant and rapid innovations or from intrusive market forces.” (Gardner 2002, 4)

„Gestalten Sie. Sonst werden Sie gestaltet“ – Sonja Radatz postuliert eine Opposition und es stellt sich die Frage, wie aussagekräftig dieses Bild tatsächlich sein kann. 

Zur Autorin Sonja Radatz

Dr. Sonja Radatz ist die Begründerin des Relationalen Ansatzes und leitet seit 1998 das IRBW Institut für Relationale Beratung und Weiterbildung in Wien.Mit ihrem Management-Ansatz unterstützt sie Individuen, Vereine und Unternehmen. Ihre Ideen publiziert sie regelmäßig in Büchern, in Vorträgen und auch als Gast-Dozentin an mehreren Universitäten. Als Herausgeberin der Zeitschrift LO Lernende Organisation (http://lo.irbw.net) sorgt sie auch für eine Popularisierung ihrer Ideen. 

Nähere Details finden sich an dieser Stelle: www.irbw.net
In einem Blog schreibt Sonja Radatz immer wieder über aktuelle Entwicklungen ihres Ansatzes und über verschiedene Anwendungsmöglichkeiten: www.irbw.net/radatz-inspiriert-alle-eintraege.html 

Über das Gestalten des Lebens – privat wie beruflich!

Das Buch ist in zwei inhaltliche Teile gegliedert. Im ersten Teil stellt Sonja Radatz ihren Relationalen Ansatz näher vor und geht auf einzelne Grundannahmen und Elemente ein, die diesem Zugang seinen Charakter verleihen. Im zweiten Teil werden von der Autorin praxisnahe Beispiele dafür geliefert, wie der Relationale Ansatz ins tägliche Leben integriert werden kann, es ist der umfassendere Teil des Buches, was es damit auch schließlich zu einem Anwendungsbuch macht.

Den Einstieg schafft Sonja Radatz mit der Postulierung einer Opposition – „Es gibt zu viele Situationen, in denen wir es einfach aufgeben zu gestalten: wir fühlen uns ausgeliefert, wir wissen nicht, wo wir mit einer Veränderung beginnen sollten, weil uns die Hürde zu groß erscheint oder weil, wie wir überzeugt sind, zu viel notwendig wäre, um eine befriedigende Lösung herbeizuführen.“ (Radatz 2015, 12) Am Anfang steht offenbar ein Gefühl der Schwäche und des Versagens. Und für dieses Gefühl bekommt man von der Autorin auch gleich die Verantwortung zugeschoben – „Sie werden von mir verantwortlich gemacht für ihr persönliches Glück, für ihren persönlichen Erfolg, für ihr Leben.“ (Radatz 2015, 13)

Diese Zuschreibung von Verantwortung für den Ausgang von Ereignissen wird durch den Relationalen Ansatz begründet, deren Beschreibung der Grundannahmen den Hauptteil des ersten Teils des Buches ausmacht. Im Relationalen Ansatz wird von acht Grundannahmen gesprochen: Die erste Grundannahme besagt, dass die Welt eine Welt der Relationen ist. Keine Absolutheiten sind beobachtbar, alles verläuft in ständiger Veränderung und der wechselnden Bezugnahme aufeinander. In dieser Welt stellt sich den handelnden Akteuren stets die Frage: Gestalten oder Gestaltet-Werden. „“Gestalten“ heißt, „etwas anderes zu tun“, den gewünschten Zustand mit einem anderen Vorgehen (oder Lassen im Sinne von „Zulassen“) zu erreichen.“ (Radatz 2015, 29) – das ist die zweite Grundannahme. Drittens – und hier wird auf die erste Grundannahme Bezug genommen – gibt es keine Objektivität, kein Richtig oder Falsch. Und damit bekommt die individuelle Verantwortlichkeit einen sehr großen Stellenwert, was der vierten Grundannahme entspricht. Diese Verantwortung übernimmt man gemäß dem Relationalen Ansatz nicht nur für das eigene Verhalten, sondern vor allem für das Ergebnis – Ergebnis- anstatt Verhaltens-/Handlungsfokus wird diese fünfte Grundannahme benannt. Diese Verantwortung in diesem Ausmaß übernehmen zu können, braucht ausreichendes Vertrauen in sich und andere – womit die sechste Grundannahme angesprochen ist. Sonja Radatz sieht darin überhaupt die zentrale Grundannahme dafür, überhaupt gestalten zu können: „Meine Erfahrung ist nicht nur, dass das Vertrauen in sich selbst die Einschätzung der Gestaltungsmöglichkeiten wesentlich beeinflusst und das der jeweilige Grad des Vertrauens in das Gegenüber Gestaltungsmöglichkeiten maßgeblich begrenzt, sondern dass Vertrauen in sich beziehungsweise andere auch die zentrale Grundlage ist, um überhaupt gestalten zu können.“ (Radatz 2015, 35) Durch das Gestalten entstehen Ergebnisse – die siebente Grundannahme bringt die Unterscheidung auf zwischen Ergebnisse zu leben und Ergebnisse zu „erreichen“ – und spricht daher den integrativen Aspekt des Gestaltens an. In der achten Grundannahme wird nochmals betont, dass es vor allem darum geht, sich über die Rahmenbedingungen klar zu sein, um in der Ausgestaltung dieses Rahmens nicht an vorher festgelegte Pläne oder Budgets gebunden zu sein.

Damit lassen sich auch die drei Grundpfeiler des Relationalen Ansatzes besser verstehen: Der Relationale Ansatz spannt ein Handlungsfeld auf, das aus dem Zusammenspiel von Ergebnisfokussierung (=“Leben des Optimalszenarios“), der Verpflichtung zur Gestaltung und der laufenden Veränderung der Situationen gebildet wird. (vgl. Radatz 2015, 43) Dieses Handlungsfeld benötigt laufende Kontrolle (Optimierung), um das Optimalszenario schließlich auch erreichen zu können. Dieses ständige Hinterfragen und Kontrollieren wird im Rahmen des Relationalen Selbstmanagements diskutiert (Radatz 2015, 56)

Damit ist auch eine permanente Selbstkontrolle verbunden, was sich darin zeigt, „wie wichtig es ist, in jeder Minute des Lebens zu prüfen, ob sie sich selbst noch in die Augen schauen und die eigne Persönlichkeit darin entdecken können.“ (Radatz 2015, 131)
Schematisch kulminiert sich das alles im sogenannten Identitätskreis (Radatz 2015, 77), der zehn Felder beinhaltet: Ziele, Strategie, Vision, Mission, Kernkompetenzen, Werte, Leitlinien des Handelns, Grundannahmen und Glaubenssätze, Geschichten und Mythen, Do’s and Dont’s. Dieser Identitätskreis ist eine Beschreibung dessen, was uns als Individuen auszeichnet und wie wir unser Leben gestalten.

Wie sich das Leben Tag für Tag gestalten lässt, darüber gibt der zweite Teil des Buches konkrete Hinweise – es werden Beispiele dafür gebracht, wie sich Ziele formulieren lassen, wie der eigene Handlungsrahmen abgesteckt werden kann, oder wie sich der individuelle Fokus schärfen lässt. Im Grunde läuft es darauf hinaus: „Tun Sie, was Sie wirklich tun wollen:“ (Radatz 2015, 176) 

Fazit

„Haben wir eine Zukunft? Nein, wir haben keine.“ (Radatz 2015, 180) – Die Zukunft liegt nach Sonja Radatz nicht wie ein fertig gebackener Kuchen für uns bereit, den wir bloß noch aufzuschneiden und zu verzehren hätten. Die Zukunft ist nicht ausgestaltet. Was zu gestalten ist, ist die Gegenwart – darin können wir uns Tag für Tag üben, und dabei unsere Verantwortlichkeit leben, die schließlich auch unsere Freiheit ausmacht.

Das Buch lebt von der persönlichen Überzeugtheit der Autorin, dass sie mit ihrem Relationalen Ansatz ein passendes Bild für die Gestaltbarkeit individueller Lebensprozesse gefunden hat. Leider bleiben dabei wichtige theoretische Fragen auf der Strecke. So wird zum Beispiel nicht zwischen Verhalten und Gestalten differenziert, eine Unterscheidung die in der Philosophie bzw. Psychologie zwischen Verhalten und Handlung gezogen wird. Der postulierte Relativismus wird auf die sokratische Tradition und Überlieferung bezogen, was inhaltlich nicht haltbar ist – Sokrates mag zwar, dem Wissen gegenüber skeptisch gewesen sein, doch waren bestimmte Werte für ihn nicht verhandelbar, also nicht relativ – Sonja Radatz unterschlägt das, weil sie sich sonst einer genaueren Diskussion ihres Relativismus stellen müsste. Dementsprechend fehlt es im Buch auch einer Relativierung des Relationalen Ansatzes. Man gewinnt daher schnell den Eindruck, dass es vor allem um das Überzeugen durch Motivation geht – Slogans und Postulate werden vorgebracht, eine detaillierte Auseinandersetzung würde die Geschwindigkeit reduzieren und die Energie, die diesen Mantras innewohnt, mindern. Diesem Zugang ist es wohl auch geschuldet, dass der Selbstdarstellung von Sonja Radatz viel Raum gegeben wird – der Relationale Ansatz ist ihre Entwicklung, und wenn inhaltliche Diskussion ausgespart wird, muss die eigene Persönlichkeit stärker in den Mittelpunkt gerückt werden – Namedropping kommt häufig vor: Mit wem Sonja Radatz bereits gearbeitet hat, welchen Konferenzen sie beigewohnt hat, wer ein guter Freund von ihr sei, und so weiter. Gerade in einem Ansatz, der sich dem Vertrauen als grundlegende Säule verschrieben hat, nimmt es Wunder aus, das auf den Begriff der Loyalität nicht eingegangen wird. Es wird auch nicht diskutiert, aus welchen Quellen die Individuen das notwendige Vertrauen schöpfen können, wenn die Reziprozität nicht ausreichend berücksichtigt wird. Ein Vertrauensvorschuss ist ja kein Ergebnis, sondern eine prozessgesteuerte Grundhaltung – da sind Aussagen und Zitate wie zum Beispiel: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern – ab jetzt verhalte ich mich anders, weil das aus meiner Sicht sinnvoller ist.“ (Sonja Radatz zitiert einen bekannten Spruch eines ehemaligen deutschen Politikers – Radatz 2015, 201), nicht vertrauensbildend. Und darüber hinaus wird auch nicht zur Sprache gebracht, dass permanentes Selbstmonitoring gegen die nachhaltige Zufriedenheit von Menschen spricht.

Nun, diese Schwächen des Relationalen Ansatzes selbst werden im Buch selbst viel zu wenig thematisiert.

Was bleibt: Sich der Freiheitsgrade bewusst sein, die man verantwortungsvoll selbst gestalten kann, ist eine wichtige Quelle eigener Freiheit Sonja Radatz liefert in ihrem Buch ein ganz brauchbares Bild dafür, in welchem Verhältnis Verantwortung und Freiheit stehen können, und wie sich ein stimmiges Leben einrichten lässt. Dabei punktest sie vor allem durch ihre Präsenz, die auch im Text sehr spürbar wird – die Leserinnen und Leser dürfen aber nicht zu viele Nachfragen stellen, denn sonst sind Glanz und Schimmer schnell ab.

Harald G. Kratochvila, Wien 

Verwendete Literatur:

Bauer, J. (2015). Selbststeuerung - Die Wiederentdeckung des freien Willens. München (GER), Karl Blessing Verlag

Gardner, H. (2006). Changing Minds - The Art and Science of Changing Our Own and Other People's Mind. Boston, MA (USA), Harvard Business School Press

Gardner, H., et al. (2002 [2001]). Good Work - When Excellence and Ethics Meet. New York, NY (USA), Basic Books

Saucier, J. (2015 [2011]). Ein Leben mehr. Berlin (GER), Insel Verlag

Wolf, U. (2013 [1996]). Die Suche nach dem guten Leben - Einführung in Platons Frühdialoge. Frankfurt/Main (GER), Vittorio Klostermann