Krisen als Chancen – Resilienz als Möglichkeit zur Veränderung
Sabine
Horn/Martina Seth (2015). Resilienz im Job – Was wir brauchen, was uns guttut. Freiburg/Breisgau
(GER), Verlag Herder
Das
Buch wurde freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt – www.herder.de
Rezensent: Mag. Harald G. Kratochvila (Wien)
Stichworte: Resilienz, Coaching, Beruf, Karriere, Leben,
Lebensbewältigung, Lebenskompetenz, Rezension
Was wir brauchen, um es uns im Beruf gutgehen zu lassen
„Was du dir ausdenkst, weil es möglich ist, ist damit
auch Wirklichkeit.“ (Nooteboom 1994,
38) Und man fühlt sich vielleicht an eine Grafik von Francisco de Goya
erinnert, die den Titel trägt: Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer
(Originaltitel: El sueño de la razón produce monstruos). Aber das ist nur ein
Teil des Bildes – auch die Vernunft gebiert Ungeheuer, wenn Sorgen, Ängste und
Verzweiflung den Menschen plagen – bekannte Reaktionen auf Krisen.
Dem österreichischen Begründer der Logotherapie und
Existenzanalyse, Viktor Frankl, wird der folgende Satz zugeschrieben: „Äußere
Krisen bedeuten die große Chance, sich zu besinnen“. Krisen sind alltäglich und
begegnen uns in allen Bereich des Lebens – Partnerschaften, die
auseinanderbrechen, Krankheiten, die Menschen betreffen, die uns nahe stehen,
finanzielle Schwierigkeiten, die durch eine drohende Beschäftigungslosigkeit
noch verstärkt werden. Soziale Krisen, und solche, die weit über die lokale
Gesellschaft hinaus reichen, sind hier noch gar nicht erwähnt. Krisen sind
Ereignisse und Veränderungen, die den bis dahin gültigen Rahmen (Annahmen,
Routinen, Sicherheiten) auseinanderreißen oder sogar sprengen.
Orientierungslosigkeit ist daher die Folge – Was Viktor Frankl als Besinnung
benannt hat, ist die Wiedererlangung der inneren Orientierung, die es braucht,
um sich auch im Äußeren wieder zurechtfinden zu können. William James, der
Gründer der amerikanischen akademischen Psychologie, sieht in der Besinnung
auch die Möglichkeit, sich der eigenen Stärke zu erinnern: „Große Notfälle und
Krisen zeigen uns, um wie viel größer unsere vitalen Ressourcen sind als wir
selbst annahmen.“
Krisen sind Herausforderungen und lassen sich nicht
vermeiden. Diese Besinnung verlangt dem Individuum aber einiges an Kraft und
Energie ab: „Besitzt ein Mensch zu wenig Hoffnung oder Widerstandsfähigkeit,
kann man noch so viel Energie von außen hineinstecken – es bleibt dennoch ein
Vakuum der Verzweiflung und Kapitulation. Im Gegensatz dazu engagieren sich
Menschen, die an sich glauben, wesentlich mehr, was wiederum mit erhöhter
Wahrscheinlichkeit zu einem Erfolg führt.“ (Bandura
zitiert nach Short/Weinspach 2010,
11) Bei Karlfried Graf Dürckheim finden sich andere Begrifflichkeiten, die
innere Zerrissenheit und die Gefühllage des Menschen in Krisen zu beschreiben: „Gerade
ein Mensch, der sich in der tiefsten Dunkelheit seiner Verlorenheit in der Welt
fühlt, die ihn, solange er im Ich festsitzt, in Angst, Verzweiflung und
Einsamkeit stürzt, ist besonders bereit für den Ruf aus dem Wesen und so auch
für einen Anruf, der sein Ich-Gehäuse durchstößt und ihm sein Wesen bewusst
macht.“ (Dürckheim 2012, 110) Was
sich gleicht ist die Vorstellung, dass Krisen zu Veränderungen führen und das
diese Veränderungen im Inneren des Menschen zu verorten sind – vielleicht in
der Ausbildung neuer Verhaltensweisen (vgl. Covey
2004)
Die Art und Weise also, wie man Krisen bewältigt und
vor allem worauf man sich im Zuge der Verarbeitung von solchen Ereignissen
besinnt, macht das aus, was mittlerweile auch in populären Medien unter dem
Begriff der Resilienz, also einer allgemeinen Widerstandskraft, verstanden
wird. Resilienz ist eine Fähigkeit, also erlernbar und erlaubt es, gestärkt und
kraftvoll aus Krisen hervorzugehen. Das ist Gegenstand des zu besprechenden
Buches.
Zu den Autorinnen – Sabine Horn und Martina Seth
Sabine
Horn unterstützt seit vielen Jahren Menschen in Krisen und Veränderungen – als Coach,
Organisationsberaterin und Resilienz-Trainerin. Gemeinsam mit einem Team führt sie ein
Beratungsunternehmen. Nähere Informationen finden sich auf ihrer Webseite: www.arbeit-im-gleichgewicht.de
Martina
Seth ist durch ihre Tätigkeiten als Prozessbegleiterin, Dozentin und
Resilienztrainerin mit dem Thema befasst. Auch sie unterstützt Menschen in den
verschiedenen Kontexten dabei, besser mit Veränderungen und Krisen umzugehen. Auch
hier finden sich nähere Informationen auf der Webseite: www.seth-resilienz-training.de
Krisen und Chancen, Veränderung und Stabilität
Veränderungen begegnen uns auf sehr unterschiedlichen
Ebenen des Wahrnehmens, Denkens und Verhaltens. Robert B. Dilts hat ein
Pyramidenmodell der logischen Ebenen entwickelt, das auf einer hierarchischen
Stufenabfolge von Veränderungsmöglichkeiten basiert. Auf der untersten Ebene
finden sich die Umgebung und die Umwelt abgebildet. Darauf fußt das menschliche
Verhalten. Dieses Verhalten wird geprägt von Kompetenzen und Fähigkeiten. Eine
Ebene darüber liegen die Glaubenssätze und Werte. Eine weitere Ebene darüber
ist die Identität verortet, die schließlich in der Spitze der Pyramide vom Sinn
abgeschlossen wird. (das Modell findet sich als einfache Darstellung in Horn/Seth 2015, 106-107) Eine
fundamentale Grundannahme dieses Modells lautet, dass „eine erfolgreiche
Veränderungsarbeit … in der Regel auf einer höheren Ebene ansetzen [muss], und
dass sich die Ebenen wechselseitig beeinflussen.“ (Horn/Seth 2015, 106)
Die Umgebung und die Umwelt (Ebene 6) sowie die eigenen
Verhaltensweisen (Ebene 5) lassen sich also leichter ändern, als die Spitze der
Pyramide (Sinn – Ebene 1, Identität – Ebene 2). Dieses Modell der
Veränderungsmöglichkeiten bietet aber auch einen passenden Einstieg in die
Frage, was Krisen überhaupt ausmacht, denn man kann mit diesem Modell auch die
Ebene der Veränderung sichtbar machen.
„Mit Kraft und Motivation jeden Tag aufs Neue den
Arbeitsalltag zu bestehen, stellt für immer mehr Menschen eine große
Herausforderung dar. Der Druck auf den einzelnen Mitarbeiter wächst ständig,
und zudem verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben. Rasante
Veränderungen in der Arbeitswelt, überhöhte Anforderungen an die eigene
Leistungsfähigkeit und die Angst, im Job zu versagen, führen bei vielen
Menschen zu starken körperlichen und seelischen Belastungen, bis hin zum
Burnout.“ (Horn/Seth 2015, 7)
Veränderungen werden zu Krisen, wenn die eingesetzten
Ressourcen nicht mehr zur Bewältigung der Veränderung bereit stehen. Resilienz wird
als Fähigkeit definiert, diese schwierigen Lebenssituationen und Veränderungen
ohne anhaltende Beeinträchtigungen zu überstehen (Horn/Seth 2015, 14)
Das Buch ist in zwei Teile gegliedert, und besteht aus
fünf Kapiteln. Die ersten vier Kapitel stellen das Konzept der Resilienz vor
und erläutern die sieben Resilienzaspekte. Sie liefern auch den Hintergrund
dafür, Veränderungen besser verstehen zu lernen, und dabei auch die eigene
Resilienz leichter entdecken und einsetzen zu können. Abgeschlossen wir das
Buch mit einem Trainingsteil, der die zuvor erwähnten sieben Resilienzaspekte spezifisch
fördern hilft. Das Resilienzmodell von Monika Gruhl ist das zugrundegelegte
Modell für die Darstellung der Resilienzfaktoren (vgl. die aktuelle Auflage Gruhl 2014 – Horn/Seth zitieren nach der Ausgabe von 2010)
Resileinz – das zentrale Konzept des Buches, ist eine
psychische Fähigkeit und beruht auf drei Voraussetzungen: Selbstwahrnehmung,
Reflexion und Integration. Kurz gesprochen – wahrzunehmen, was mit einem passiert,
welche Reaktionen durch Ereignisse ausgelöst werden und durch Reflexion
dahinter zu kommen, welche Wirkmechanismen und andere
Persönlichkeitseigenschaften dahinter stehen, kann dabei helfen, diese
Wahrnehmungen und Reflexionen zu integrieren. Damit kommen wir unseren
Grundbedürfnissen entgegen: Orientierung und Kontrolle, Lustgewinn und
Unlustvermeidung,, soziale Integration und Selbstwertsicherung und
Selbstentwicklung. (Horn/Seth 2015,
26)
Damit lassen sich nun Stressmuster bzw. Denkmuster, die
zu Stress führen leichter erkennen und ihnen entgegenwirken. Das Resilienzmodell beinhaltet sieben Aspekte – drei Grundhaltungen:
Optimismus, Akzeptanz, Lösungsorientierung und vier Handlungsaspekte:
Selbstregulation, Selbstverantwortung, Netzwerk- bzw. Beziehungsorientierung
und Zukunftsgestaltung.
Resilienz ist daher etwas, das sich vor allem im Handeln
zeigt, es ist nicht nur eine passive Eigenschaft, die Menschen in sich tragen,
oder etwas, das wie ein Regenschirm die Regentropfen abhält.
Sabine Horn und Martina Seth beschreiben diese Aspekte
sehr anschaulich und geben unzählige Beispiele aus dem Berufsalltag, um zu
verdeutlichen, in welcher Weise Resilienz dabei helfen kann, den Berufsstress
besser zu verarbeiten bzw. gar nicht erst aufkommen zu lassen.
Der Trainingsabschnitt fördert mit Übungen die
Selbstreflexion und ist dazu gedacht, dass man sich als Leser mit jemandem
anderen über die jeweiligen Resilienzfaktoren und zugrundeliegende Aspekte
unterhält.
Fazit
Den Autorinnen ist ein übersichtliches Buch gelungen,
das durch seine klare Struktur ein brauchbares Hilfsmittel am Weg zu einer höheren
Resilienz ist. Es ist praxisnah durch viele Beispiele und ein guter Einstieg in
die immer breiter werdende Resilienzliteratur. Für Leser, die bereits das Buch
Monika Guhl kennen, wird es vor allem durch seinen Berufsbezug interessant
sein. Für Coaches und Psychotherapeuten ist ohnehin das Buch von Dan Short und
Claudia Weinspach Pflichtlektüre.
Durch den Trainingsteil kann man immer wieder
bestimmte Aspekte trainieren und gezielt darauf achten, wo man sich noch verbessern
möchte.
„Was du dir ausdenkst, weil es möglich ist, ist damit
auch Wirklichkeit.“ (Nooteboom 1994,
38) – Resilienz ist möglich …
Harald G. Kratochvila, Wien
Verwendete Literatur:
Covey, S. R. (2004 [1989]).
The 7 Habits of Highly Effective People - Powerful Lessons in Personal Change.
Restoring the Character Ethic. New York, NY & London (UK), Free Press
Dürckheim, K. G. (2012 [1966]). Der Alltag als Übung -
Vom Weg zur Verwandlung. Bern (SUI), Verlag Hans Huber
Gruhl, M. (2014 [2008]). Resilienz - Die Strategie der
Stehauf-Menschen. Krisen meistern mit innerer Widerstandskraft.
Freiburg/Breisgau (GER), Kreuz Verlag
Nooteboom, C. (1994 [1981]). Ein Lied von Schein und
Sein. Frankfurt/Main (GER), Suhrkamp Verlag
Short, D. und C. Weinsprach (2010 [2007]). Hoffnung
und Resilienz - Therapeutische Strategien von Milton H. Erickson. Heidelberg
(GER), Carl-Auer Verlag