Montag, 31. August 2015

Rezension: Sabine Horn/Martina Seth – Resilienz im Job



Krisen als Chancen – Resilienz als Möglichkeit zur Veränderung


Sabine Horn/Martina Seth (2015). Resilienz im Job – Was wir brauchen, was uns guttut. Freiburg/Breisgau (GER), Verlag Herder

Das Buch wurde freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt – www.herder.de

Rezensent: Mag. Harald G. Kratochvila (Wien)

Stichworte: Resilienz, Coaching, Beruf, Karriere, Leben, Lebensbewältigung, Lebenskompetenz, Rezension 

Was wir brauchen, um es uns im Beruf gutgehen zu lassen

„Was du dir ausdenkst, weil es möglich ist, ist damit auch Wirklichkeit.“ (Nooteboom 1994, 38) Und man fühlt sich vielleicht an eine Grafik von Francisco de Goya erinnert, die den Titel trägt: Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer (Originaltitel: El sueño de la razón produce monstruos). Aber das ist nur ein Teil des Bildes – auch die Vernunft gebiert Ungeheuer, wenn Sorgen, Ängste und Verzweiflung den Menschen plagen – bekannte Reaktionen auf Krisen.
Kratochvila Rezension - Sabine Horn/Martina Seth: Resilienz im Job 
Dem österreichischen Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse, Viktor Frankl, wird der folgende Satz zugeschrieben: „Äußere Krisen bedeuten die große Chance, sich zu besinnen“. Krisen sind alltäglich und begegnen uns in allen Bereich des Lebens – Partnerschaften, die auseinanderbrechen, Krankheiten, die Menschen betreffen, die uns nahe stehen, finanzielle Schwierigkeiten, die durch eine drohende Beschäftigungslosigkeit noch verstärkt werden. Soziale Krisen, und solche, die weit über die lokale Gesellschaft hinaus reichen, sind hier noch gar nicht erwähnt. Krisen sind Ereignisse und Veränderungen, die den bis dahin gültigen Rahmen (Annahmen, Routinen, Sicherheiten) auseinanderreißen oder sogar sprengen. Orientierungslosigkeit ist daher die Folge – Was Viktor Frankl als Besinnung benannt hat, ist die Wiedererlangung der inneren Orientierung, die es braucht, um sich auch im Äußeren wieder zurechtfinden zu können. William James, der Gründer der amerikanischen akademischen Psychologie, sieht in der Besinnung auch die Möglichkeit, sich der eigenen Stärke zu erinnern: „Große Notfälle und Krisen zeigen uns, um wie viel größer unsere vitalen Ressourcen sind als wir selbst annahmen.“ 

Krisen sind Herausforderungen und lassen sich nicht vermeiden. Diese Besinnung verlangt dem Individuum aber einiges an Kraft und Energie ab: „Besitzt ein Mensch zu wenig Hoffnung oder Widerstandsfähigkeit, kann man noch so viel Energie von außen hineinstecken – es bleibt dennoch ein Vakuum der Verzweiflung und Kapitulation. Im Gegensatz dazu engagieren sich Menschen, die an sich glauben, wesentlich mehr, was wiederum mit erhöhter Wahrscheinlichkeit zu einem Erfolg führt.“ (Bandura zitiert nach Short/Weinspach 2010, 11) Bei Karlfried Graf Dürckheim finden sich andere Begrifflichkeiten, die innere Zerrissenheit und die Gefühllage des Menschen in Krisen zu beschreiben: „Gerade ein Mensch, der sich in der tiefsten Dunkelheit seiner Verlorenheit in der Welt fühlt, die ihn, solange er im Ich festsitzt, in Angst, Verzweiflung und Einsamkeit stürzt, ist besonders bereit für den Ruf aus dem Wesen und so auch für einen Anruf, der sein Ich-Gehäuse durchstößt und ihm sein Wesen bewusst macht.“ (Dürckheim 2012, 110) Was sich gleicht ist die Vorstellung, dass Krisen zu Veränderungen führen und das diese Veränderungen im Inneren des Menschen zu verorten sind – vielleicht in der Ausbildung neuer Verhaltensweisen (vgl. Covey 2004)

Die Art und Weise also, wie man Krisen bewältigt und vor allem worauf man sich im Zuge der Verarbeitung von solchen Ereignissen besinnt, macht das aus, was mittlerweile auch in populären Medien unter dem Begriff der Resilienz, also einer allgemeinen Widerstandskraft, verstanden wird. Resilienz ist eine Fähigkeit, also erlernbar und erlaubt es, gestärkt und kraftvoll aus Krisen hervorzugehen. Das ist Gegenstand des zu besprechenden Buches. 

Zu den Autorinnen – Sabine Horn und Martina Seth

Sabine Horn unterstützt seit vielen Jahren Menschen in Krisen und Veränderungen – als Coach, Organisationsberaterin und Resilienz-Trainerin.  Gemeinsam mit einem Team führt sie ein Beratungsunternehmen. Nähere Informationen finden sich auf ihrer Webseite: www.arbeit-im-gleichgewicht.de

Martina Seth ist durch ihre Tätigkeiten als Prozessbegleiterin, Dozentin und Resilienztrainerin mit dem Thema befasst. Auch sie unterstützt Menschen in den verschiedenen Kontexten dabei, besser mit Veränderungen und Krisen umzugehen. Auch hier finden sich nähere Informationen auf der Webseite: www.seth-resilienz-training.de 

Krisen und Chancen, Veränderung und Stabilität

Veränderungen begegnen uns auf sehr unterschiedlichen Ebenen des Wahrnehmens, Denkens und Verhaltens. Robert B. Dilts hat ein Pyramidenmodell der logischen Ebenen entwickelt, das auf einer hierarchischen Stufenabfolge von Veränderungsmöglichkeiten basiert. Auf der untersten Ebene finden sich die Umgebung und die Umwelt abgebildet. Darauf fußt das menschliche Verhalten. Dieses Verhalten wird geprägt von Kompetenzen und Fähigkeiten. Eine Ebene darüber liegen die Glaubenssätze und Werte. Eine weitere Ebene darüber ist die Identität verortet, die schließlich in der Spitze der Pyramide vom Sinn abgeschlossen wird. (das Modell findet sich als einfache Darstellung in Horn/Seth 2015, 106-107) Eine fundamentale Grundannahme dieses Modells lautet, dass „eine erfolgreiche Veränderungsarbeit … in der Regel auf einer höheren Ebene ansetzen [muss], und dass sich die Ebenen wechselseitig beeinflussen.“ (Horn/Seth 2015, 106)

Die Umgebung und die Umwelt (Ebene 6) sowie die eigenen Verhaltensweisen (Ebene 5) lassen sich also leichter ändern, als die Spitze der Pyramide (Sinn – Ebene 1, Identität – Ebene 2). Dieses Modell der Veränderungsmöglichkeiten bietet aber auch einen passenden Einstieg in die Frage, was Krisen überhaupt ausmacht, denn man kann mit diesem Modell auch die Ebene der Veränderung sichtbar machen. 

„Mit Kraft und Motivation jeden Tag aufs Neue den Arbeitsalltag zu bestehen, stellt für immer mehr Menschen eine große Herausforderung dar. Der Druck auf den einzelnen Mitarbeiter wächst ständig, und zudem verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben. Rasante Veränderungen in der Arbeitswelt, überhöhte Anforderungen an die eigene Leistungsfähigkeit und die Angst, im Job zu versagen, führen bei vielen Menschen zu starken körperlichen und seelischen Belastungen, bis hin zum Burnout.“ (Horn/Seth 2015, 7)
Veränderungen werden zu Krisen, wenn die eingesetzten Ressourcen nicht mehr zur Bewältigung der Veränderung bereit stehen. Resilienz wird als Fähigkeit definiert, diese schwierigen Lebenssituationen und Veränderungen ohne anhaltende Beeinträchtigungen zu überstehen (Horn/Seth 2015, 14)

Das Buch ist in zwei Teile gegliedert, und besteht aus fünf Kapiteln. Die ersten vier Kapitel stellen das Konzept der Resilienz vor und erläutern die sieben Resilienzaspekte. Sie liefern auch den Hintergrund dafür, Veränderungen besser verstehen zu lernen, und dabei auch die eigene Resilienz leichter entdecken und einsetzen zu können. Abgeschlossen wir das Buch mit einem Trainingsteil, der die zuvor erwähnten sieben Resilienzaspekte spezifisch fördern hilft. Das Resilienzmodell von Monika Gruhl ist das zugrundegelegte Modell für die Darstellung der Resilienzfaktoren (vgl. die aktuelle Auflage Gruhl 2014 – Horn/Seth zitieren nach der Ausgabe von 2010)

Resileinz – das zentrale Konzept des Buches, ist eine psychische Fähigkeit und beruht auf drei Voraussetzungen: Selbstwahrnehmung, Reflexion und Integration. Kurz gesprochen – wahrzunehmen, was mit einem passiert, welche Reaktionen durch Ereignisse ausgelöst werden und durch Reflexion dahinter zu kommen, welche Wirkmechanismen und andere Persönlichkeitseigenschaften dahinter stehen, kann dabei helfen, diese Wahrnehmungen und Reflexionen zu integrieren. Damit kommen wir unseren Grundbedürfnissen entgegen: Orientierung und Kontrolle, Lustgewinn und Unlustvermeidung,, soziale Integration und Selbstwertsicherung und Selbstentwicklung. (Horn/Seth 2015, 26)

Damit lassen sich nun Stressmuster bzw. Denkmuster, die zu Stress führen leichter erkennen und ihnen entgegenwirken. Das Resilienzmodell beinhaltet sieben Aspekte – drei Grundhaltungen: Optimismus, Akzeptanz, Lösungsorientierung und vier Handlungsaspekte: Selbstregulation, Selbstverantwortung, Netzwerk- bzw. Beziehungsorientierung und Zukunftsgestaltung. 

Resilienz ist daher etwas, das sich vor allem im Handeln zeigt, es ist nicht nur eine passive Eigenschaft, die Menschen in sich tragen, oder etwas, das wie ein Regenschirm die Regentropfen abhält. 

Sabine Horn und Martina Seth beschreiben diese Aspekte sehr anschaulich und geben unzählige Beispiele aus dem Berufsalltag, um zu verdeutlichen, in welcher Weise Resilienz dabei helfen kann, den Berufsstress besser zu verarbeiten bzw. gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Der Trainingsabschnitt fördert mit Übungen die Selbstreflexion und ist dazu gedacht, dass man sich als Leser mit jemandem anderen über die jeweiligen Resilienzfaktoren und zugrundeliegende Aspekte unterhält. 

Fazit

Den Autorinnen ist ein übersichtliches Buch gelungen, das durch seine klare Struktur ein brauchbares Hilfsmittel am Weg zu einer höheren Resilienz ist. Es ist praxisnah durch viele Beispiele und ein guter Einstieg in die immer breiter werdende Resilienzliteratur. Für Leser, die bereits das Buch Monika Guhl kennen, wird es vor allem durch seinen Berufsbezug interessant sein. Für Coaches und Psychotherapeuten ist ohnehin das Buch von Dan Short und Claudia Weinspach Pflichtlektüre. 

Durch den Trainingsteil kann man immer wieder bestimmte Aspekte trainieren und gezielt darauf achten, wo man sich noch verbessern möchte.
„Was du dir ausdenkst, weil es möglich ist, ist damit auch Wirklichkeit.“ (Nooteboom 1994, 38) – Resilienz ist möglich …

Harald G. Kratochvila, Wien

Verwendete Literatur:

Covey, S. R. (2004 [1989]). The 7 Habits of Highly Effective People - Powerful Lessons in Personal Change. Restoring the Character Ethic. New York, NY & London (UK), Free Press

Dürckheim, K. G. (2012 [1966]). Der Alltag als Übung - Vom Weg zur Verwandlung. Bern (SUI), Verlag Hans Huber

Gruhl, M. (2014 [2008]). Resilienz - Die Strategie der Stehauf-Menschen. Krisen meistern mit innerer Widerstandskraft. Freiburg/Breisgau (GER), Kreuz Verlag

Nooteboom, C. (1994 [1981]). Ein Lied von Schein und Sein. Frankfurt/Main (GER), Suhrkamp Verlag

Short, D. und C. Weinsprach (2010 [2007]). Hoffnung und Resilienz - Therapeutische Strategien von Milton H. Erickson. Heidelberg (GER), Carl-Auer Verlag

1 Kommentar:

  1. Vielen Dank für Deinen Kommentar. Ich bin auch Deinem Vorschlag gefolgt und fand auf Anhieb einige brauchbare Artikel auf diesem Portal. Leider kommen aber wie so oft kontroverse Standpunkte zu kurz. Mich interessiert, wie Du zu diesem Blog gekommen bist - Das Theme Resilienz oder das Buch der Autorinnen?

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