Fabian,
E. (2015). Humor und seine Bedeutung für die Psychotherapie. Gießen (GER),
Psychosozial Verlag
Das
Buch wurde freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt: www.psychosozial-verlag.de
Rezensent: Mag. Harald G. Kratochvila (Wien)
Stichworte: Psychotherapie, Humor, Unbewusstes,
Psychoanalyse, Angst, Rezension
Orientierungspunkte
“Thinking is
important to all of us in our daily lives. The way we think affects the way we
plan our lives, the personal goals we choose, and the decisions we make. Good
thinking is therefore not something that is forced upon us in school: It is
something that we all want to do, and want others to do, to achieve our goals
and theirs.” (Baron 2008, 5).
Der französische Literat Gustave Flaubert hat in einem
Brief an seine Geliebte Louise Colet den Gedanken formuliert: „Das Üble am
Schmerz ist, dass er allzu deutlich das Leben spüren lässt. Er liefert uns
selbst so etwas wie den Beweis, dass ein Fluch auf uns lastet: Er demütigt …
Sollten Leiden und Denken dasselbe sein?“ (Flaubert
2005, 292) Man muss dieser trüben Stimmung nicht selbst nachgeben, kann sie
aber zum Anlass nehmen um darüber nachzudenken, woran Menschen leiden. Einer
ersten plausiblen Antwort zufolge, liegt ein Zusammenhang zu den menschlichen
Gefühlen und Emotionen nahe. Gefühle und Emotionen sind grundlegende Bausteine
menschlichen Verhaltens – und viele Psychotherapien werden begonnen, weil die
Menschen mit ihren Gefühlen und Emotionen nicht besonders gut klarkommen, oder
weil ihr Verhalten, das aus ihnen entsteht, Probleme verursacht. Der Weg zur
Klarheit führt nicht immer über das bewusste Nachdenken, dennoch kann gerade
der philosophisch-analytische Zugang zur menschlichen Gefühlswelt Aufklärung
bringen. „Die philosophische Analyse des Gefühls führt zu einer tragischen
Sicht des Lebens. Tragödie ist nicht eigenbrötlerischer Trübsinn, sondern das
Umfassen von Vielfalt. … Das Ideal emotionaler Rationalität ist die angemessene
Gefühlsreaktion. In jener utopischen conditio würden wir, per impossibile, die
reiche Bedeutung nicht nur unseres je individuellen Lebens erfahren, sondern
auch die reiche Bedeutung der tragischen Dimensionen, die für die condition
humana wesentlich sind. Dazu gehören die Grenzen völliger Empathie, aus denen
die Liebe ihre Kraft gewinnt; die Notwendigkeit gesellschaftlicher Bande für
die Freiheit des einzelnen; die subjektive Bindung an objektive Werte; die
Bedeutung des Todes für sinnträchtige Erfahrung. Die menschliche Welt zu
fühlen, wie sie ist, das emotionale Äquivalent der Wahrheit zu erfahren hieße,
all dies zu fühlen, mit dem ganzen Wesen, alles zugleich.“ (de Sousa 2009, 526)
Die Tragik des Denkens und Fühlens wird vor allem
durch Erzählungen plastisch gemacht. Jean Anouille führt uns mit zwei Gedanken
auf die Fährte des Humors: „Die Geschichte ist eine natürliche Grundform der
Kommunikation“ und „Fiktion gibt dem Leben seine Form.“(zitiert in Gutjahr 2013, 151) Humor kann eine
wundervolle Verpackung dafür sein, wie wir die Welt erleben und sich ihr
annähern – und wirft man einen Blick darauf, wie Humor dafür eingesetzt wird,
Sichtweisen zu verändern und neue
Perspektiven zu erlangen, ist der Weg zum Einsatz von Humor in der
Psychotherapie nicht mehr weit. Was die amerikanische Karikaturistin Liza Donnelly
in einem TED-Vortrag über die humorvollen Zugangsweisen zur eigenen Identität
zeigt und erzählt, lässt sich auch für die Psychotherapie nutzbar machen (www.ted.com/talks/liza_donnelly_drawing_upon_humor_for_change?language=de#t-133349).
Zum Autor
Egon Fabian verfügt über ein breites
psychotherapeutisches Wissen, das er sich in den letzten Jahren als Facharzt für
Psychiatrie, Neurologie und Psychosomatische Medizin und als Psychoanalytiker
und Gruppentherapeut erarbeitet hat. Er ist ärztlicher Leiter der
Dynamisch-Psychiatrischen Klinik Menterschwaige in München (http://www.klinik-menterschwaige.de) und arbeitet dazu noch in
einem psychoanalytischen Institut (http://www.psychoanalysebayern.de). Seine
Forschungsschwerpunkte sind Angststörungen, Gruppendynamik, Identität und Humor
in der Psychotherapie. Bei Waxmann Verlag erschien zuletzt ein Buch zur
Psychotherapie der Angst (http://www.waxmann.com).
Zur Bedeutung des Humors für die Psychotherapie (Aufbau des Buches)
Auch in den Medien ist das Thema bereits präsent: www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/humor-in-der-psychotherapie-so-wirken-witze-bei-depressionen-und-co-a-954213.html
Egon Fabian legt mit seinem Buch eine Sammlung von Aufsätzen vor, die er für dieses Buch nochmals überarbeitet hat. Zentrales Thema dieser Beiträge ist die Bedeutung von Humor für die psychotherapeutische Praxis. Die Beiträge bauen selbst nicht grundlegend aufeinander auf und lassen sich daher je nach Interesse in beliebiger Reihenfolge lesen.
Egon Fabian legt mit seinem Buch eine Sammlung von Aufsätzen vor, die er für dieses Buch nochmals überarbeitet hat. Zentrales Thema dieser Beiträge ist die Bedeutung von Humor für die psychotherapeutische Praxis. Die Beiträge bauen selbst nicht grundlegend aufeinander auf und lassen sich daher je nach Interesse in beliebiger Reihenfolge lesen.
Die Grundüberzeugung des Autors wird an mehreren Stellen
vorgebracht – Humor in seinen verschiedenen Ausprägungen ist eine wichtige
Quelle, ein wichtiger Weg zum Unbewussten und wird in diesem Zusammenhang mit
dem Traum und der Metapher gesehen: „Denn der Traum, die Psychopathologie des
Alltags und der Witz sind unmittelbare Ausdrucksformen des Unbewussten.“ (Fabian 2015, 7) oder „Ähnlich dem Traum
und der Metapher integriert auch der Humor Bewusstes und Unbewusstes, Konkretes
und Symbolisches, Freud und Leid, Individuum und Gruppe.“ (Fabian 2015, 25-26)
Damit kann auch das Ziel erreicht werden, das der Autor
in der Psychotherapie sieht, nämlich zu lernen, seinen Gefühlen Ausdruck zu
verschaffen. Das unausgesprochene normative Urteil dahinter lautet demnach,
dass es gesund wäre, seinen Gefühlen auch Ausdruck zu verleihen. Und weiters:
Jeder Mensch verfüge über Humor solange er psychisch gesund wäre.
Folgerichtig wird vom Autor die Humorlosigkeit auch als
pathologischer Zustand beschrieben: „Humorlosigkeit ist immer pathologisch. Sie
ist ein Symptom von Depression und gestörter Kontaktaufnahme.“ (Fabian 2015, 17)
In den verschiedenen Beiträgen von Egon Fabian kommt aber
auch deutlich zur Sprache, dass Humor kein Allheilmittel darstellt und vor
allem, dass Humor in der Psychotherapie bewusst als Interventionsmaßnahme
eingesetzt, an bestimmte Voraussetzungen geknüpft werden sollte.
Doch der Reihe nach. Egon Fabian definiert Humor bzw.
den Sinn für Humor als die Fähigkeit in komischen Situationen zu lachen, oder
solche Situationen absichtlich herbeiführen zu können: „Sinn für Humor ist in
meinem Verständnis die Fähigkeit auf komische Situationen mit (hörbarem oder
stummem) Lachen zu reagieren – oder solche Situationen selbst herzustellen.“ (Fabian 2015, 15) Humor bedient sich
dabei verschiedener Ausdrucksformen – konstruktiven Arten und destruktiv
verformten Arten, zu denen der Sarkasmus, der Zynismus und die bösartige Ironie
gezählt werden können. Humor kann in verbalen und non-verbalen Formen geäußert
werden, wobei der Witz die am weitesten verbreitete verbale Humorform
darstellt.
Diese Unterscheidungen sind für die Darlegungen der
Bedeutung des Humors für die Psychotherapie sehr wichtig, denn laut Egon Fabian
„wird im Allgemeinen wenig differenziert, welche Art von Humor bei welcher
Persönlichkeitsstruktur angebracht ist, und welche Grenzen dabei beachtet
werden müssen.“ (Fabian 2015, 67)
Die Vorteile des Humors in der Psychotherapie beziehen
sich nach Egon Fabian, der seine Überlegungen durch Verweise auf Studien
stützt, nicht nur auf die Person des Patienten und die
Therapeuten-Patienten-Beziehung, sondern auch auf den Therapeuten selbst. Humor
ermöglicht mit seiner Bildersprache eine Distanzierung von gewohntem Denken und
Fühlen und stellt eine lustvolle Ressource dar, mit sich und anderen in Kontakt
zu kommen. (vgl. Fabian 2015, 7-8)
Dieser Kontakt, den konstruktiver Humor schafft, wirkt therapeutisch –
„Therapeutisch ist, was Kontakt schafft, relativiert und Übertragung bzw.
Projektion abgrenzt.“ (Fabian 2015,
24) Die Übertragungen und Gegenübertragungen, die sich darin aufzeigen lassen,
helfen nicht nur dem Patienten, sondern auch dem Therapeuten. Alles in allem
wird damit „eine bessere Regulierung von Nähe und Distanz“ (Fabian 2015, 25) möglich.
Diese Vorteile des Humors etablieren sich nach Egon
Fabian aber nur auf einer tragfähigen Therapeuten-Patienten-Beziehung – einer
Beziehung, in der dem Therapeuten klar ist, mit wem er es zu tun hat – „Eine
gute Kenntnis des Patienten und seiner Geschichte“ (Fabian 2015, 24)
Fazit
Humor
stellt einen bedeutenden Zugang zum Denken und Verhalten des Menschen dar und
beruht in seinem Verständnis auf einem komplexen Zusammenspiel mentaler
Fähigkeiten: “Humor comprehension is a complex process that requires the
detection and resolution of the incongruity, eliciting a positive feeling of
mirth or reward.” (Shibataa et al. 2015,
137) Sogar dann, wenn die verbalen Fähigkeiten und das deklarative Gedächtnis
schon schwer beeinträchtigt sind, wie bei Demenz-PatientenZugang zu den
Menschen gefunden werden. In einer rezenten Studie wurde untersucht, inwieweit
Humor in der Demenz-Pflege eingesetzt werden könne und die Ergebnisse zeigten,
dass Zufriedenheit und Freude der Demenzpatienten durch einen humorvollen
Umgang mit ihnen gesteigert werden konnte. (Person
und Hanssen 2015)
Humor
ist demnach ein integraler Bestandteil eines gelungenen Lebens und damit auch
Kern einer gelungenen Psychotherapie, die darauf abzielt den Menschen mehr
Möglichkeiten des Denkens, Fühlen und Handelns zu eröffnen. Egon Fabian, hat
dieses Ermöglichen sehr schön formuliert und damit auch einen Hinweis darauf
gegeben, worauf es in der Psychotherapie auch ankommen sollte: “Wenn das Ziel
einer erfolgreichen Psychotherapie nicht nur in der Linderung von Leid und
Konflikten besteht, sondern auch das innere Wachstum des Patienten fördern
soll, dann muss der Patient allmählich lernen, sich über seine eigenen Probleme
zu erheben bzw. diese aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. In
erfolgreichen Therapien findet der Patient seinen Humor (wieder) und kann ihn
zunehmend für sein Leben einsetzen.“ (Fabian 2015, 118)
Harald G. Kratochvila, Wien
Verwendete Literatur:
Baron, J. (2008 [1988]). Thinking and Deciding. New
York, NY (USA), Cambridge University Press
de Sousa, R. (2009 [1987]). Die Rationalität des Gefühls.
Frankfurt/Main (GER), Suhrkamp Verlag
Flaubert, G. (2005 [1830-1880]). Briefe. Zürich (SUI),
Diogenes Verlag
Gutjahr, G. (2013 [2011]). Markenpsychologie. Wie
Marken wirken - Was Marken stark macht. Wiesbaden (GER), Springer Gabler
Kratochvila, H. G.
(2011). "Kopfarbeit - Den emotionalen Krisen auf der Spur." Socialnet –
Rezensionen (http://www.socialnet.de/rezensionen/10884.php)
Levit, L. Z. (2014). "Personal uniqueness therapy: Living with an
inner ideal." American Journal of Applied Psychology 3(1): 1-7
Person, M. und Hanssen, I. (2015). „Joy, Happiness, and Humor in Dementia Care:
A Qualitative Study.” Creative Nursing 21(1): 47-52
Shibataa, M. et al. (2015). “Integration of Cognitive and Affective Networks
in Humor Comprehension.” Neuropsychologia 65: 137–145
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