Donnerstag, 16. Juli 2015

Rezension: Klaus Theweleit – Das Lachen der Täter


Ein kritischer Blick auf Legitimationsversuche individueller und kollektiver Gewalt


Klaus Theweleit (2015). Das Lachen der Täter: Breivik u.a. – Psychogramm der Tötungslust. St. Pölten (AUT), Residenz Verlag

Das Buch wurde freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt – www.residenzverlag.at
Rezensent: Mag. Harald G. Kratochvila (Wien)

Stichworte: Kriegsverbrechen, Gewalt, Aggression, Terror, menschliches Verhalten, Moralität, Aufklärung, Lebenskompetenz, Rezension 

Individuelle und kollektive Gewalt im Angesichts des Lachens 

Klaus Theweleit - Das Lachen der TäterBerichte über individuelle und kollektive Gewalt sind mediales Tagesgeschäft. Besonders grausame Verbrechen werden in Wochenmagazinen näher beleuchtet. Gewaltverbrechen mit einem ideologischen Hintergrund werden sogar in Monatsmagazinen analysiert und aufbereitet. Die sogenannten religiös-motivierten Gewaltorgien dominieren die Medien mittlerweile 24/7 – doch bereits hier sind Differenzierungen notwendig. Die Häufigkeit, mit der medial über gewalttätige Migranten berichtet wird, ist nicht den gesellschaftlichen Realitäten entsprechend (Walburg 2014). Die Prävalenz von Psychopathie liegt über die Jahre stabil bei unter 5% (vgl dazu: „im Justizvollzug der USA 15-20 % der Gefangenen, diese seien für 50 % der schweren Delikte verantwortlich“ Müller 2012). Und wenn jemand seine Verbrechen mit ideologischen oder religiösen Motiven schmückt, dann entlässt ihn das nicht aus der Schuld – diese lässt sich nicht so einfach den Ideen oder Systemen zusprechen.

Deutlich wird aber, dass es so etwas wie Legitimationsversuche individueller und kollektiver Gewalt gibt. „Das Lachen der Täter“ ist selbst noch kein solcher Versuch, aber es ist als Zeichen deutbar. Klaus Theweleit hat sich in seinem aktuellen Buch den Tätern auf die Spur gemacht und versucht ein Psychogramm derjenigen Männer zu erstellen, die in den letzten Jahren durch brutale Morde auffällig geworden sind – entweder als Einzeltäter, wie Anders Breivik, oder als Kollektive, wie fanatisierte Selbstmordattentäter, Terroristen und Kindersoldaten.
Dabei lenkt er den Blick auch auf die medialen Inszenierungen, die entweder von den Tätern selbst geliefert, oder von Berichterstattern stammen. Doch alles der Reihe nach … 

Zum Autor

Klaus Theweleit beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Theorien zur Gewalt in ihren verschiedensten Ausprägungen. Bereits seine Dissertation war der Freikorpsliteratur gewidmet. Einem breiteren Publikum wurde er bekannt mit seiner Veröffentlichung „Männerphantasien“, die aus seiner bereits erwähnten Dissertation entstanden ist. Er teilt sein Wissen in Vorträgen und Publikationen - Lehraufträge in Deutschland, den USA, der Schweiz und Österreich. „Arbeitsschwerpunkte: Wörter, Töne, Bilder.Faschismustheorie. Theorie der Gewalt. Gender Studies. Theorie der Medien. Popkultur. Film. Kunst und Macht. Pocahontas. Geschichte(n) zur (fortdauernden) Erfindung Amerikas und zu den (fortdauernden) Kolonialismen.“ (siehe www.klaus-theweleit.de – zuletzt aufgerufen am 13.07.2015)

Ein Interview mit dem Südwestdeutschen Rundfunk zum vorliegenden Buch findet sich hier: www.youtube.com/watch?v=1nIih87pwrA (zuletzt aufgerufen am 13.07.2015) 

Das Lachen der Täter

„Dieses Buch ist zum großen Teil gemacht aus Zeitung; geschrieben entlang aktueller Zeitungsberichte über die in „politischen“ sowie „religiösen“ Kontexten verübten Mordtaten der letzten Jahre und Jahrzehnte.“ (Theweleit 2015, 245) Die apostrophierten Begriffe zeigen an, dass sowohl Politik als auch Religion gerne als Orientierungspunkte verwendet werden – von den Gewalttätern wie auch von den Rezipienten und Beobachtern.
Das Buch folgt keiner strengen Ordnung in Kapitel, sondern greift auf vielfältige Versatzstücke zurück. Es gibt sich entwickelnde Teile unter dem Titel „Lachen“, genauso wie unter dem Titel „Theorie“ und dazu historische Einfügungen z.B. über Srebrenica, das ja vor wenigen Tagen Schauplatz einer Gedenkveranstaltung gewesen ist und dabei auch erkennen ließ, wie tief die Wunden noch immer sind (http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/vu-i-besuch-in-srebrenica-schuld-und-versoehnung-13699007.html).

Dem Buch nähert man sich am besten durch seinen Schluss, den ich hier in extenso wiedergeben möchte: „Der Schluss: All dies sind nicht einfach „wissenschaftliche“ Probleme; auch nicht „journalistische“ und auch nicht einfach politische. Kein „Politiker“, kein „Wissenschaftler“, kein „Journalist“, keine „Analytikerin“ kann irgendetwas davon dauerhaft lösen. „Wir“ (die „Wirs“ aller Sorten) müssen das im Alltag tun. Dort „lösen“ sich bekanntlich selten (oder: nie) Probleme. Sie werden beackert, hin- und hergeschoben; verdrängt, überlagert vom „jeweils“ alltäglich Nächstliegenden. Was „auf den Nägeln brennt“, ruft nach Bearbeitung (& wird erst recht verdrängt). Und dann, Hals über Kopf, entschieden. (Hals über Kopf!) „Lösungen“ zeichnen sich nur da ab, wo die Haut der Andern – grundsätzlich und selbstverständlich – geachtet und verschont wird. In Annäherung, oder auch freundlich auf Distanz gehalten: „Gehalten!“ While others say don’t hate nothing at all except hatred.“ (Theweleit 2015, 233)

Wie sagte schon Wilhelm Busch: ’’Toleranz ist gut, aber nicht gegenüber den Intoleranten.‘‘

Das Lachen der Täter wird von Klaus Theweleit als „Abzeichen des Killers“ verstanden (Theweleit 2015, 7). „Der Killer lächelt, lacht und tobt sich aus … Der Killer triumphiert.“ (Theweleit 2015, 11) In seinen historischen und aktuellen Beispielen liefert er Beschreibungen, wie sich dieses Lachen äußert – in welchem Rahmen es sich abspielt. Dieses Lächeln, Lachen wird vom Autor als innere Befreiung beschrieben – „die erlaubte Übertretung ins Verbrecherische wirkt als emotive Befreiung. Und diese wird gefeiert mit exzessivem Lächeln.“ (Theweleit 2015, 51) Diese angesprochenen Folter- und Tötungsakte werden mittels vier Elementen beschrieben: zunächst der straflos durchgeführte Strafakt, seine Ausstellung (=staging), seine mit einem Lachen begangene Feier und der bejubelte Zusammenschluss mit einer übergeordneten größeren Organisation. (Theweleit 2015, 51 ff.) Bürgerkriege, Terroranschläge, offene Gewaltverbrechen – Klaus Theweleit dokumentiert die Spuren der Gewalt – dabei nutzt er eine Vielzahl von Quellen und führt auf diese Weise ein umfassendes Bild vor, das dieses Lachen der Täter mit anderen Augen sehen lässt. 

Fazit

Alles in allem ist es ein verstörendes Buch – wie ein Dokumentarfilmer folgt Klaus Theweleit den Spuren der Gewalt und liefert seinen eigenen theoretischen Beitrag sozusagen aus dem Off (in seinen Theorieteilen). Seine Betrachtungen verstören – wie in einem Kaleidoskop kommen immer neue Facetten zum Vorschein, mit dem gemeinsamen Betrachtungspunkt – „Das Lachen der Täter.“ (Theweleit 2015, 245)


Harald G. Kratochvila, Wien

Verwendete Literatur:

Müller, H. E. (2012). Die PCL-R von Hare aus kriminologischer und strafprozessrechtlicher Sicht. Vortrag zum 3. Tag der Rechtspsychologie

Walburg, Ch. (2015). Migration und Jugenddelinquenz - Mythen und Zusammenhänge. (http://mediendienst-Integration.de/fileadmin/Dateien/Gutachten_Kriminalitaet_Migration_Walburg.pdf - zuletzt aufgerufen am 13.07.2015)

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