Ein kritischer Blick auf Legitimationsversuche individueller und kollektiver Gewalt
Klaus
Theweleit (2015). Das Lachen der Täter: Breivik u.a. – Psychogramm der
Tötungslust. St. Pölten (AUT), Residenz Verlag
Das
Buch wurde freundlicherweise vom Verlag zur Verfügung gestellt – www.residenzverlag.at
Rezensent: Mag. Harald G. Kratochvila (Wien)
Stichworte: Kriegsverbrechen, Gewalt, Aggression, Terror,
menschliches Verhalten, Moralität, Aufklärung, Lebenskompetenz, Rezension
Individuelle und kollektive Gewalt im Angesichts des Lachens
Deutlich wird aber, dass es so etwas wie
Legitimationsversuche individueller und kollektiver Gewalt gibt. „Das Lachen
der Täter“ ist selbst noch kein solcher Versuch, aber es ist als Zeichen
deutbar. Klaus Theweleit hat sich in seinem aktuellen Buch den Tätern auf die
Spur gemacht und versucht ein Psychogramm derjenigen Männer zu erstellen, die
in den letzten Jahren durch brutale Morde auffällig geworden sind – entweder
als Einzeltäter, wie Anders Breivik, oder als Kollektive, wie fanatisierte
Selbstmordattentäter, Terroristen und Kindersoldaten.
Dabei lenkt er den Blick auch auf die medialen
Inszenierungen, die entweder von den Tätern selbst geliefert, oder von
Berichterstattern stammen. Doch alles der Reihe nach …
Zum Autor
Klaus Theweleit beschäftigt sich seit vielen Jahren mit
Theorien zur Gewalt in ihren verschiedensten Ausprägungen. Bereits seine
Dissertation war der Freikorpsliteratur gewidmet. Einem breiteren Publikum
wurde er bekannt mit seiner Veröffentlichung „Männerphantasien“, die aus seiner
bereits erwähnten Dissertation entstanden ist. Er teilt sein Wissen in
Vorträgen und Publikationen - Lehraufträge in Deutschland, den USA, der Schweiz
und Österreich. „Arbeitsschwerpunkte: Wörter, Töne, Bilder.Faschismustheorie.
Theorie der Gewalt. Gender Studies. Theorie der Medien. Popkultur. Film. Kunst
und Macht. Pocahontas. Geschichte(n) zur (fortdauernden) Erfindung Amerikas und
zu den (fortdauernden) Kolonialismen.“ (siehe www.klaus-theweleit.de – zuletzt
aufgerufen am 13.07.2015)
Ein Interview mit dem Südwestdeutschen Rundfunk zum
vorliegenden Buch findet sich hier: www.youtube.com/watch?v=1nIih87pwrA (zuletzt aufgerufen am 13.07.2015)
Das Lachen der Täter
„Dieses Buch ist zum großen Teil gemacht aus Zeitung;
geschrieben entlang aktueller Zeitungsberichte über die in „politischen“ sowie „religiösen“
Kontexten verübten Mordtaten der letzten Jahre und Jahrzehnte.“ (Theweleit 2015, 245) Die apostrophierten
Begriffe zeigen an, dass sowohl Politik als auch Religion gerne als
Orientierungspunkte verwendet werden – von den Gewalttätern wie auch von den
Rezipienten und Beobachtern.
Das Buch folgt keiner strengen Ordnung in Kapitel,
sondern greift auf vielfältige Versatzstücke zurück. Es gibt sich entwickelnde
Teile unter dem Titel „Lachen“, genauso wie unter dem Titel „Theorie“ und dazu
historische Einfügungen z.B. über Srebrenica, das ja vor wenigen Tagen
Schauplatz einer Gedenkveranstaltung gewesen ist und dabei auch erkennen ließ,
wie tief die Wunden noch immer sind (http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/vu-i-besuch-in-srebrenica-schuld-und-versoehnung-13699007.html).
Dem Buch nähert man sich am besten durch seinen Schluss,
den ich hier in extenso wiedergeben möchte: „Der Schluss: All dies sind nicht
einfach „wissenschaftliche“ Probleme; auch nicht „journalistische“ und auch
nicht einfach politische. Kein „Politiker“, kein „Wissenschaftler“, kein
„Journalist“, keine „Analytikerin“ kann irgendetwas davon dauerhaft lösen.
„Wir“ (die „Wirs“ aller Sorten) müssen das im Alltag tun. Dort „lösen“ sich
bekanntlich selten (oder: nie) Probleme. Sie werden beackert, hin- und
hergeschoben; verdrängt, überlagert vom „jeweils“ alltäglich Nächstliegenden.
Was „auf den Nägeln brennt“, ruft nach Bearbeitung (& wird erst recht
verdrängt). Und dann, Hals über Kopf, entschieden. (Hals über Kopf!) „Lösungen“
zeichnen sich nur da ab, wo die Haut der Andern – grundsätzlich und
selbstverständlich – geachtet und verschont wird. In Annäherung, oder auch
freundlich auf Distanz gehalten: „Gehalten!“ While others say don’t hate
nothing at all except hatred.“ (Theweleit 2015, 233)
Wie sagte schon Wilhelm Busch: ’’Toleranz ist gut, aber
nicht gegenüber den Intoleranten.‘‘
Das Lachen der Täter wird von Klaus Theweleit als „Abzeichen
des Killers“ verstanden (Theweleit 2015,
7). „Der Killer lächelt, lacht und tobt sich aus … Der Killer triumphiert.“ (Theweleit 2015, 11) In seinen
historischen und aktuellen Beispielen liefert er Beschreibungen, wie sich
dieses Lachen äußert – in welchem Rahmen es sich abspielt. Dieses Lächeln,
Lachen wird vom Autor als innere Befreiung beschrieben – „die erlaubte
Übertretung ins Verbrecherische wirkt als emotive Befreiung. Und diese wird
gefeiert mit exzessivem Lächeln.“ (Theweleit
2015, 51) Diese angesprochenen Folter- und Tötungsakte werden mittels vier
Elementen beschrieben: zunächst der straflos durchgeführte Strafakt, seine Ausstellung
(=staging), seine mit einem Lachen begangene Feier und der bejubelte
Zusammenschluss mit einer übergeordneten größeren Organisation. (Theweleit 2015, 51 ff.) Bürgerkriege,
Terroranschläge, offene Gewaltverbrechen – Klaus Theweleit dokumentiert die
Spuren der Gewalt – dabei nutzt er eine Vielzahl von Quellen und führt auf
diese Weise ein umfassendes Bild vor, das dieses Lachen der Täter mit anderen
Augen sehen lässt.
Fazit
Alles
in allem ist es ein verstörendes Buch – wie ein Dokumentarfilmer folgt Klaus
Theweleit den Spuren der Gewalt und liefert seinen eigenen theoretischen
Beitrag sozusagen aus dem Off (in seinen Theorieteilen). Seine Betrachtungen
verstören – wie in einem Kaleidoskop kommen immer neue Facetten zum Vorschein,
mit dem gemeinsamen Betrachtungspunkt – „Das Lachen der Täter.“ (Theweleit
2015, 245)
Harald
G. Kratochvila, Wien
Verwendete Literatur:
Müller, H. E. (2012). Die PCL-R von Hare aus
kriminologischer und strafprozessrechtlicher Sicht. Vortrag zum 3. Tag der
Rechtspsychologie
(www.rechtspsychologie-bdp.de/wp-content/uploads/vortraege3tag/Mueller.pdf - zuletzt
aufgerufen am 13.07.2015)
Walburg, Ch. (2015). Migration und Jugenddelinquenz -
Mythen und Zusammenhänge. (http://mediendienst-Integration.de/fileadmin/Dateien/Gutachten_Kriminalitaet_Migration_Walburg.pdf - zuletzt aufgerufen
am 13.07.2015)
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